Berlin – Stadtrad sagt heute keiner mehr – und auch der Begriff City Bike ist out, weil darunter oft ein eher unsportlich anmutendes Tiefeinsteigerrad für das gehobene Alter verstanden wird.
Stattdessen ist bei Fahrradmodellen, die überwiegend im Stadtverkehr zum Einsatz kommen sollen, zunehmend von Urban Bikes die Rede.
Ein solches Urban Bike ist das Modell 1, das der Hersteller Bike Components, ein Versandhändler aus Aachen, als erste Eigenentwicklung unter der Marke Vortrieb vermarktet. Doch wie kommt man mit solch einem Urban Bike durch die Stadt, und was kann so ein Fahrrad noch?
Der Einsatzzweck
Das Modell 1 sei vor allem für Pendler gedacht, die etwas schneller unterwegs sein wollen, sagt Produktmanager Christoph Schmitt. Der Radler sitzt nicht so aufrecht wie auf einem klassischen Trekkingrad, sondern leicht gebeugt. Die Reifen sind mit 32 Millimetern Breite recht schmal. So verwundert es ein wenig, dass Bike Components auf seiner Website als Einsatzgebiet auch «Touring und Trekking» nennt.
Für längere Trips, die auch mal über Schotter- und Forstwege führen, würde man Federelemente erwarten oder zumindest breitere Reifen, die dämpfend wirken. Andererseits würde dadurch der aufgeräumte Look des Rades gestört. So ist dieses Urban Bike auch etwas für Modebewusste, die kleine technische Kompromisse einzugehen bereit sind. Federelemente würden außerdem das Gewicht des Fahrrad erhöhen.
Die Technik
Wer täglich Wege von A nach B bewältigt, zum Beispiel zur Arbeit und zurück nach Hause, der beansprucht das Material – gerade wenn es etwas schneller voran gehen soll und dann höhere Kräfte wirken. Wartungsarmut und Stabilität sind deshalb wichtige Faktoren.
Beim Vortrieb 1 erfolgt der Antrieb statt über eine Kette über einen Riemen von Marktführer Gates, der auch die Kurbel beisteuert. Wenn doch mal das Hosenbein einklemmt, entstehen somit keine dauerhaften Flecken, denn der Riemen muss weder gefettet noch geölt werden. Die Polyurethanoberfläche ist wetterbeständig. Verschmutzt der Riemen, genügt Abwaschen mit Wasser. Eine Kette muss je nach Pflegezustand nach einigen Tausend Kilometern gewechselt werden, ein Riemen sollte dagegen Zehntausende halten.
Weil er ein Endlosteil ist, kann man den Riemen – anders als eine Kette – nicht öffnen. Das hat Auswirkungen auf Rahmenbau, Montage und Reparaturarbeiten. Wird er erstmals aufgezogen oder ersetzt, muss der Rahmen geöffnet werden – denn nur so kann der Riemen auf den hinteren Zahnkranz gesetzt werden. Am Vortrieb Modell 1 ist die rechte Sitzstrebe deshalb nicht aus einem Guss, sondern unterbrochen und kann mit einem gewöhnlichen Innensechskant-Schlüssel geöffnet werden.
Das Prinzip einer Kettenschaltung fällt konstruktionsbedingt aus. Folglich ist eine Nabenschaltung verbaut, die kaum Pflege benötigt. Zulieferer Shimano empfiehlt eine Erstreinigung nach 1000 Kilometern und dann alle zwei Jahre oder alle 5000 Kilometer neuen Schmierstoff nachzufüllen. Die Alfine-11-Gang hat eine Bandbreite von 409 Prozent, der höchste Gang ist damit vier Mal höher übersetzt als der erste.
Der Fahreindruck
Der Carbonriemen gibt keine Betriebsgeräusche von sich, auch die Reifen verhalten sich leise. Die 28-Zoll-Räder laufen dank ihres großen Durchmessers ruhig. Weil der Vorbau eher steil als flach steht, ist das Rad trotzdem wendig, der breite Lenker sorgt für Kontrolle. Dank der leicht gebeugten Sitzposition kann der Radler seine Kraft gut in die Pedale geben. Das eher hohe Gewicht von – je nach Rahmengröße – 15 bis 15,8 Kilogramm fällt im Rollen nicht auf.
Die Griffe bieten breite Auflageflächen, doch sie sind die einzigen Bauteile, die den Fahrkomfort steigern. Tauchgabel, Rahmendämpfer oder Sattelfederung sucht man vergebens. Solche Merkmale machen ein Urban Bike aber auch nicht aus – wohl aber manches Trekkingrad.
Sobald man mit dem Modell 1 über Schotter rollt, setzt es Schläge. Auch wurzelige Forstwege werden zum Rüttelparcours, städtisches Kopfstein ohnehin. Um die Knochen zu schonen, wünscht man sich in solchen Situationen wenigstens breitere Reifen ans Rad. Diese können mit weniger Luftdruck gefahren werden und versprechen mehr Dämpfung. Doch eine Umrüstung ist auch auf Wunsch nicht möglich: Rahmen und Gabel würden breitere Reifen zulassen, die Schutzbleche aber nicht.
Ausstattung, Zubehör, Peripherie
Das Vortrieb 1 erfüllt die Vorgaben für den Straßenverkehr: Alle vorgeschriebenen Reflektoren sind an Bord, zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen, eine am Schaltkabel versteckte Klingel und die geforderte Beleuchtung. Laut Hersteller Supernova ist der Frontscheinwerfer einer der kleinsten und zugleich hellsten am Markt. Auf Dunkelfahrten leuchten die LEDs die Fahrbahn genügend aus; als Dauerlicht schalten sich Scheinwerfer und Rücklicht an, sobald das Rad rollt und damit der Nabendynamo vorn seine Arbeit aufnimmt. Eine Standlichtfunktion – erst nach fünf Minuten geht das Licht aus – sorgt für mehr Sicherheit, zum Beispiel in Wartephasen an der Ampel.
Die Aluminiumschutzbleche steigern den Alltagsnutzen bei Nässe und Regen. Am hinteren Spritzschutz ist ein minimalistischer Gepäckträger befestigt, der genau genommen nur aus zwei seitlichen Querstreben besteht. Sie sind unauffällig und stören die Silhouette kaum. Immerhin acht Kilogramm pro Seite können sie aufnehmen – genug für normale Fahrradtaschen zum Einhängen für Einkäufe oder Dokumente.
An Sitz- und Unterrohr befinden sich Ösenpaare zum Befestigen von Anbauteilen. Zwei Flaschenhalter hätten Platz. Sinnvoller ist es wahrscheinlich, dort ein Fahrradschloss samt Halterung anzuschrauben.
Der Preis
Das Gesamtpaket für dieses Urban Bike liegt bei 1500 Euro inklusive der hochwertigen Komponenten. Hinzu kommen 49 Euro Versand, da das Rad vom Hersteller direkt vertrieben wird.
Das Fazit
Das Vortrieb Modell 1 ist ein Urban-Bike, das sich zum Pendeln bei Wind und Wetter eignet: Es ist wartungsarm, robust und nimmt auch Gepäck auf. Allerdings sollte man das Rad nicht unnötig auf Abwege steuern, dann leidet der Fahrkomfort.
Fotocredits: Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn,Stefan Weißenborn
(dpa/tmn)