Berlin – Elektro-Tretroller sind flink und leise – aber auch nicht ohne Risiken. Ein Jahr nach der Zulassung in Deutschland fordern Experten umfassende zusätzliche Regeln für mehr Sicherheit, um Unfälle und andere brenzlige Situationen nicht zuletzt für Fußgänger zu vermeiden.
«Wir wollen, dass der Straßenverkehr auch mit E-Scootern sicher ist», sagte Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats. Ein gemeinsam mit der Prüforganisation Dekra erstellter Katalog macht dafür nun Vorschläge: von einer Pflicht-Ausstattung mit Blinkern über Tempodrosselungen bis zu einem höheren Mindestalter von 15 statt bisher 14 Jahren.
Einige Verhaltensregeln sind bereits festgelegt
«Das Zusammentreffen unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf engem Verkehrsraum birgt Risiken», sagte Dekra-Vorstandsmitglied Clemens Klinke. Deshalb müsse jeder die Regeln kennen. E-Tretroller dürfen seit einem Jahr unterwegs sein. Dafür legt eine seit 15. Juni 2019 geltende Verordnung technische Voraussetzungen und Verhaltensregeln fest. Die Gefährte dürfen zwischen 6 und 20 Kilometer pro Stunde (km/h) schnell sein. Gefahren werden muss auf Radwegen – gibt es keine, auf der Fahrbahn. In mehreren Städten bieten Verleihfirmen E-Tretroller an.
Ihnen empfehlen Verkehrssicherheitsrat und Dekra auch automatisierte Tempobegrenzungen – zum einen für Einsteiger, die das Fahrverhalten etwa beim Starten, Beschleunigen und in Kurven nicht kennen. «Die erste Fahrt birgt für viele Menschen einige Überraschungen.» Um Sturzgefahren zu verringern, sollten Leihanbieter die Geschwindigkeit von E-Scootern deswegen bis zur dritten Fahrt auf 10 bis 15 km/h drosseln. Dies gelte ebenfalls wetterabhängig, zum Beispiel wenn Fahrbahnen bei starkem Regen nass und glatt sind.
Automatische Tempo-Drosselungen am späten Abend
Empfohlen werden automatische Tempo-Drosselungen bei Leihrollern auch spätabends, an Wochenenden und rund um größere Veranstaltungen. Denn da ist oft Alkohol im Spiel. Zwar gelten für E-Scooter dieselben Grenzwerte wie beim Autofahren. «Im vergangenen Jahr wurden jedoch von der Polizei auffällig viele Alkoholdelikte bei der Nutzung von E-Scootern festgestellt.» Als Ergänzung könnte in die Apps zum Nutzen der Gefährte auch eine Sperrfunktion eingebaut werden – etwa mit einer Frage oder einer Aufgabe. Könnten die nicht korrekt beantwortet werden, sollte der E-Scooter gar nicht erst gemietet werden können.
Als weiteren Ansatzpunkt sehen die Sicherheitsfachleute die Mietkonditionen: Viele derzeitige Tarife «belohnten» schnelles und verkehrswidriges Fahren, weil sie nach Minuten abrechneten. Da wäre es für die Verkehrssicherheit besser, wenn die zurückgelegte Entfernung maßgeblich den Preis bestimmte – und der Zeitfaktor nur eine untergeordnete Rolle spielte, ähnlich wie bei Taxi-Fahrten.
Neben dem höheren Mindestalter von 15 Jahren schlagen die Experten eine Prüfbescheinigung fürs Fahren mit E-Scootern vor, wenn man nicht schon mindestens eine Mofaprüfbescheinigung (Klasse AM) hat. Um die kleinen, schmalen Flitzer besser wahrzunehmen, sollten reflektierende Folien an den Lenkstangen Pflicht werden. Fürs Entleihen und Abstellen seien ausgewiesene Parkzonen sinnvoll. Leihanbieter sollten dafür sorgen, dass falsch abgestellte oder umgefallene E-Scooter innerhalb von fünf Stunden während der Betriebszeiten eingesammelt werden. Dafür sollten sie Telefon-Hotlines einrichten, bei denen man auf wild abgestellte Fahrzeuge hinweisen kann.
Debatte über Helmpflicht
Das Bundesverkehrsministerium will eine erste Zwischenbilanz zur Verkehrssicherheit bis Jahresende vorlegen. Im Gespräch sind auch schon andere Forderungen wie eine Helmpflicht. Der Städtetag dringt darauf, die Leistung der E-Scooter auf Plätzen mit besonders vielen Menschen wie vor Sehenswürdigkeiten auf Schritt-Tempo zu begrenzen.
Die Grünen werfen der Regierung vor, nach einem Jahr kein «Lagebild» zu Problemen der E-Scooter zu haben. «So ist ein Nachjustieren schwierig», sagte Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar der dpa. Bei der Umwelt-Bilanz verlasse sich die Regierung auf die Unternehmen. Für Arbeitsbedingungen bei den Anbietern gelte dasselbe.
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