Essen – Elektrofahrrad-Boom und kein Ende in Sicht: In der neuen Fahrradsaison setzt die Branche auf neue Zielgruppen. Nun soll das Rad mit Motor-Unterstützung als Sportgerät für Mountainbiker, Lastesel für Transporte und gar als Fahrzeug für Kinder zum Einsatz kommen.
Auf deutschen Straßen sind nach Schätzungen schon rund drei Millionen motorisierte Räder unterwegs. «Das E-Bike ist längst kein Seniorenfahrrad mehr», sagt Torsten Abels, Projektleiter der Düsseldorfer Messe
«Cyclingworld» (25. bis 26. März).
Die Fahrradhersteller profitieren stark vom Trend zum Elektroantrieb. 2015 hatte die Branche laut Zweirad-Industrie-Verband ein Umsatzplus um 12 Prozent auf 2,42 Milliarden Euro verbucht. Auch wenn die Verkäufe im vergangenen Jahr zunächst vom durchwachsenen Wetter gebremst wurden, gehen Experten von einem Anstieg des E-Bike-Anteils aus – wie schon in den Jahren zuvor.
So war von rund 4,35 Millionen im Jahr 2015 verkauften Rädern schon etwa jedes Achte ein Elektro-Fahrrad. Ob der Anteil am Gesamtmarkt schließlich auf 15 Prozent, 30 Prozent oder sogar 50 Prozent steigen wird, wie manche prophezeien, ist umstritten.
Ein neues
E-Bike für Kinder feiert bei der Essener Fahrradmesse (16.2. bis 19. Februar) Premiere. Nach der Idee von Entwickler Robin Krichel soll das Rad den Familienfrieden bei gemeinsamen Ausflügen sichern, wenn die Eltern mal wieder motorisiert davon brausen. Sportbegeisterte Familien müssen dafür jedoch bei Preisen zwischen 1750 Euro und 3500 Euro viel Geld ausgeben.
Krichel rät Eltern, den Nachwuchs nicht gleich mit der Höchstgeschwindigkeit von bis zu 25 Stundenkilometern starten zu lassen. Eine speziell für Erwachsene geschriebene Gebrauchsanleitung verrät, wie das Tempo zunächst gedrosselt werden kann.
Stephanie Krone vom
Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) sieht die Entwicklung trotzdem kritisch. «Für den Alltag halten wir das für keine gute Idee», meint sie. Sinnvoll könne ein solches Rad allenfalls bei längeren Touren im Urlaub sein. Wichtig für Kinder sei Bewegung, gerade im Alltag.
Michael Bollschweiler, Chefredakteur der Fachzeitschrift RadMarkt, bezweifelt zudem, ob Eltern bereit sind, für ein Kinderfahrrad so viel Geld auszugeben. Ein übliches Modell für Sprösslinge koste 300 Euro. Für teurere Räder gebe es in diesem Bereich kaum eine Nachfrage.
Deutlich anders sehe die Situation vor allem bei E-Bikes für Erwachsene aus. Dort gehe es bei vielen Kunden eher um die Leistung als um den Preis. Im Gegensatz zum herkömmlichen Fahrrad werde das Elektro-Rad dabei zunehmend als Ganzjahresfahrzeug genutzt. «Der E-Bike-Kauf ist eine Grundsatzentscheidung», meint er. Da werde auch eher ungemütliches Wetter in Kauf genommen.
Zunehmend im Angebot sind zudem motorisierte Mountainbikes, während Rennräder mit Antrieb noch eher als Exoten gelten. Selbst die eher für die ältere Generation gedachten Modelle sehen mittlerweile deutlich sportlicher aus, sagt Messe-Projektleiter Abels. Wer das Elektro-Rad als Transportfahrzeug nutzen wolle, müsse dafür mit Preisen von bis zu 10 000 Euro rechnen.
Zum Hemmschuh könnten jedoch mangelnde Radwege in den Ballungsräumen werden. Im Ruhrgebiet etwa laufen immerhin die Planungen für einen neuen Radschnellweg auf Hochtouren. 2020 soll das Vorzeigeprojekt auf einer Länge von rund 100 Kilometern die Städte Duisburg und Hamm quer durch den größten deutschen Ballungsraum verbinden. Ein erstes zehn Kilometer langes Teilstück im Kerngebiet zwischen Essen und Mülheim ist schon in Betrieb. «Das ist ein Projekt, auf das die Fahrradwelt weltweit schaut«, sagt ADFC-Sprecherin Krone.
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(dpa)