Schwerin/Bochum – Marco Holter ärgert sich noch heute. Der 46-Jährige aus Schwerin begann kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs 1988 in der DDR eine Lehre zum Kfz-Mechaniker, die er 1990 abschloss.
«Zur Kundschaft in unserem Betrieb gehörten auch die Grenztruppen. Aus deren Beständen wurden dem Betrieb später Trabant Kübelwagen angeboten – für 50 Mark das Stück.» Holter und seine Kollegen schlugen das Angebot aus. Hätten sie nur geahnt, welche Preisentwicklung die Autos nehmen würden: «Ein Trabant Kübelwagen fängt heute bei 3500 bis 4000 Euro an – egal, welcher Zustand. Restauriert müssen Sie mit 10 000 Euro rechnen.»
Autos aus der ehemaligen DDR sind längst nicht mehr die Ausschussware, die es nach der Wende schleunigst abzustoßen galt. Fast 30 Jahre später ist die Szene rund um DDR-Pkw, aber auch das Nutzfahrzeug Barkas B 1000 oder seltenere Modelle und Prototypen groß. In vielen Bundesländern gibt es Trabi-Clubs. Die großen Vereine und Veranstaltungen konzentrieren sich in Ostdeutschland.
Wie die Szene wächst und gedeiht, dafür ist das Internationale Trabant-Treffen in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) das wohl beste Beispiel. Das Event gilt als das größte seiner Art und findet in diesem Jahr vom 9. bis 13. Mai zum 24. Mal statt. «Das ist der Saisonauftakt der wichtigen Treffen», sagt Holter, der bei der Organisation des vom örtlichen Trabbi-Buggy-Club ’93 ins Leben gerufenen Events mitwirkt.
Das größte Treffen für Wartburg-Fahrer findet vom 3. bis 6. August in Thüringen statt – am Stammsitz Eisenach. Denn im ehemaligen Automobilwerk Eisenach (AWE) wurde das Auto produziert. Unter dem Titel Heimweh steht die Veranstaltung in diesem Jahr unter dem Motto «30 Jahre Wartburg 1.3». Denn 1988 lief die letzte Baureihe an.
Eine Tradition beleben die Ostlegenden. Sie erinnern an das Kahlaer Bergrennen, das zwischen 1965 und 1979 in der DDR stattfand, «dann aber einschlief», sagt Klaus-Peter Herrmann, Vorsitzender des veranstaltenden Vereins Ostlegenden unter der Leuchtenburg in Thüringen. In Präsentationsfahrten pilotieren einstige DDR-Rennfahrer wie Dieter Stellenberger oder Bernd Knüpfer alte Rennautos über die originale Rennstrecke von damals.
Weitere große Treffen: Das Internationale Ostblock-Fahrzeugtreffen in Pütnitz bei Ribnitz-Damgarten (6. bis 8. Juli), wo vom Fahrrad bis zum Traktor vieles vertreten ist. Beim Ost-Mobil-Meeting-Magdeburg OMMMA (25. und 26. August) dürfen ausschließlich Fahrzeuge teilnehmen, die zwischen 1946 und 1991 im Einzugsgebiet des ehemaligen Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe gebaut wurden. Das dreitägige Zwickauer Trabant- und Ostfahrzeugtreffen (ab 31. August) gehört zu den größten und wird vom Trabant-Club Zwickau am Heimatort des Trabis organisiert. Jedes Jahr am 1. Mai findet am DDR-Museum in Thale am Rande des Harzes das Ostmobiletreffen statt.
Zwar sei der Markt im Vergleich zu noch vor einigen Jahren fast leer gefegt, doch auf vielen der größeren Treffen würden immer wieder Autos auch verkauft, hat Holter beobachtet. Vor allem auf kleineren Treffen sind Schnäppchen nicht ausgeschlossen, wenn auch selten geworden. Andererseits haben Verkäufer beste Chancen: «Wer sein Auto auf einem Treffen anbietet, hat es am Abend mit Sicherheit verkauft.»
Die Preise indes steigen weiter. So sei ein von Grund auf restaurierter Trabant 601 heute kaum noch für weniger als 5000 Euro zu bekommen, sagt Holter, der selbst einen 601 fährt. Den würde er nach der Erfahrung von einst heute nie mehr veräußern. Die Kehrtwende vom Preissturz nach der Wende zur Wertsteigerung verortet Marius Brune von Classic Data in Bochum irgendwann zu Beginn der 2010er Jahre: «Dann ging es ab, und der Trabi wurde zum Kultauto.»
Probleme mit Ersatzteilen bei deutschen Ostautos gebe es nicht, so Brune. «Man hat ja nichts weggeworfen, viele der früheren Händler haben die Teile gebunkert.» Firmen wie Danzer Autoteile in Chemnitz oder Project601 im sächsischen Großröhrsdorf haben sich auf Ersatzteile für Trabant und Wartburg spezialisiert, bieten aber auch Nachschub für Barkas, alte Skoda, Lada oder den IFA P70. Heute werden wichtige Teile sogar wieder neu produziert.
Weitere Preisbeispiele
Ein Wartburg 1.3 mit 43 kW/58 PS als Limousine (1988 bis 1991) ist im Jahr 2002 bei Zustandsnote 2 noch für durchschnittlich 2700 Euro gehandelt worden, heute sind es 4200 Euro, nennt Marius Brune von Classic Data in Bochum ein Beispiel. Ein Melkus-Coupé RS 1000 (1969 bis 1972) mit 51 kW/70 PS ist in der gleichen Zeit von 35 000 Euro auf 66 000 Euro angestiegen. Noch krasser ist die Wertsteigerung bei einem Wartung 312/1 mit 33 kW/45 PS (1965 bis 1966), der von 2200 Euro auf 10 800 Euro gesprungen ist.
Fotocredits: Andreas Lander,Andreas Lander,Stefan Sauer
(dpa/tmn)