Zwönitz (dpa) – «Wir beide sind mit Schrott aufgewachsen. Wir kennen es nicht anders», sagt die 50-jährige Steffi Ott und lächelt ihrem vier Jahre jüngeren Bruder Falk Zinke zu.
Der «Schrott», der in der Werkstatt des Familienbetriebes im Erzgebirgsstädtchen Zwönitz auf halber Strecke zwischen Chemnitz und der tschechischen Grenze herumsteht, lässt so manchem das Herz höher schlagen: Alte Horchs neben historischen Mercedes-Modellen, dazu Porsche, BMW, ein rund 100 Jahre alter Presto-Lkw mit Holzspeichenrädern und andere Oldtimer-Schätze in verschiedenen Stadien der Restauration.
Aus aller Welt kommen die Kunden ins Erzgebirge, um ihre oft sehr teuren Raritäten aufarbeiten zu lassen. «Zehn bis zwölf Autos haben wir ständig in Arbeit», sagt Falk Zinke. «Das weiteste, das wir bisher hatten, war Australien. Ansonsten Amerika, Mexiko, Frankreich – die ganze Welt.»
Geschätzt ein Viertel der Oldtimer-Besitzer lasse schrauben, sagt Martin Grundmeyer vom Veteranen-Fahrzeug-Verband (VFV). «Der Rest schraubt selbst – ob allein oder in Gesellschaft.» Vor allem diejenigen, die ihren Wagen als Wertanlage sähen, würden auf die professionelle Leistung setzen. Wie viele Oldtimer es in Deutschland gibt, sei schwer zu sagen. Laut Kraftfahrtbundesamt waren zum 1. Januar 2016 knapp 390 000 mit einem Historienkennzeichen unterwegs.
In Zwönitz hat alles in der heimischen Garage von Werner Zinke angefangen. Vor allem Vorkriegsmodelle hätten es dem Vater angetan, berichten seine Kinder. In den 70er Jahren ist Werner Zinke Rallye gefahren. «Mein Vater hat schon immer mit Technik zu tun gehabt», sagt die Tochter. Zu DDR-Zeiten war der Elektrikermeister technischer Leiter einer Möbelfabrik. An Autos geschraubt hat er privat schon immer.
Ende der 70er Jahre verguckte er sich in einen alten Benz 27/70 PS. «Der bestand aber nur aus Teilen», erzählt Tochter Steffi. «Und als meine Mutti zur Kur war, hat er unseren Wartburg verkauft und den Benz gekauft und dann nach und nach über zehn Jahre aufgebaut. Gefahren ist er dann das erste Mal zu meiner Hochzeit 1987.» Noch immer ist der mittlerweile knapp 100 Jahre alte Sechszylinder im Familienbesitz.
Zinkes Händchen für Oldtimer spricht sich schnell herum. Schon vor dem Fall der Mauer wird auch Audi mit seiner historischen Sammlung auf ihn aufmerksam. Nicht nur, weil die Marke mit den vier Ringen ihren Ursprung in Sachsen hat. «Herr Zinke ist ja schon zu DDR-Zeiten tief in der Oldtimer-Szene verwurzelt gewesen», sagt Peter Kober, Sprecher von Audi Tradition. «Und deshalb war er schon früh unser Ansprechpartner bei allen Vorkriegsmodellen der Auto Union, insbesondere bei den Marken Audi, Horch und Wanderer. Und das ist er auch heute noch.» In der DDR habe man die alten Autos gehegt und gepflegt und viel länger am Laufen gehalten. «So haben sich auch das Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten erhalten.»
Mit ihrem Wissen arbeiten die Zinkes heute viel für Museen und Sammlungen, aber natürlich auch für private Liebhaber – wenn sie es sich leisten können. Eine Komplettrestauration ist aufwendig. «2000 bis 3000 Arbeitsstunden sind es am Ende», sagt Falk Zinke. Zwei Jahre gehen im Schnitt ins Land, bevor die alten Autos wieder wie neu aussehen. «Da wird jedes, aber auch wirklich jedes Teil in die Hand genommen, bis zur letzten Schraube.»
In der Sattlerei hängen Rinderhäute. «Für eine Innenausstattung brauchen wir vier bis fünf», sagt Zinke. Im Karosseriebau-Lager finden sich Holzmodelle, um Kotflügel oder andere Blechteile originalgetreu nachzubauen. Nebenan wird ein Zylinderkopf überholt. «Der ist von einem Horch 8. Ein Reihen-Achtzylinder mit fünf Litern Hubraum», erklärt der 46-jährige Sohn des Firmengründers.
Ein elektronischer Prüfstand an der Hallenwand ist so alt wie die Autos, an denen gearbeitet wird. Erst kürzlich restauriert, erstrahlen die Rundarmaturen mit ihren großen Zeigern in neuem alten Glanz. «Der ist original aus den 30er Jahren. Sozusagen das Diagnosegerät der damaligen Zeit», sagt Zinke. Computer muss man in der Werkstatt suchen. «Wir haben eine Sattlerei, eine Lackiererei, Karosseriebau, Motorenbau, Dreherei, Komplettierung, Tischlerei – alles im Haus», ergänzt er.
50 Mitarbeiter haben sie heute. Sieben gehören zur Familie. Drei Generationen unter einem Dach. Vater Werner ist 73, und auch noch fast täglich im Betrieb – auch wenn er sich schon seit längerem zurückziehen will. Ganz ohne den Vater kann sich Tochter Steffi den Betrieb auch nicht vorstellen. Noch immer sei er mit seiner Erfahrung unabkömmlich. «Wenn andere erst noch ein Buch herholen und nachschlagen müssen, sieht er es einfach», sagt sie. «Er hat ein Riesen-Wissen und schon viel weitergegeben an meinen Bruder und meinen Sohn.»
Eine Homepage haben die Zinkes nicht. Groß Werbung machen sie auch nicht. Allzu viel Aufmerksamkeit könne man gar nicht gebrauchen, sagt Ott. «Was soll ich den Leuten auch sagen? Dass sie zwei Jahre warten müssen, bevor wir uns um ihr Auto kümmern können?»
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(dpa)