Berlin – Verbrauchern in Deutschland soll der Autokauf mit deutlich aufgestockten Kaufprämien für Elektrofahrzeuge und einer Senkung der Mehrwertsteuer schmackhaft gemacht werden. So will die Bundesregierung auch die eingebrochene Nachfrage wieder ankurbeln und drohenden Jobverlusten in der Schlüsselindustrie vorbeugen.
Die große Koalition in Berlin hat sich nun nach langen Verhandlungen auf ein Konjunkturpaket zur Stützung der Wirtschaft in der Corona-Krise geeinigt. Es hat einen Gesamtumfang von 130 Milliarden Euro. Aus dem Verband der Automobilindustrie (VDA) hieß es, die Hersteller wollten den Preisvorteil aus der darin vorgesehenen Mehrwertsteuersenkung voll an ihre Kunden weitergeben.
Im Übrigen bedauere man aber, dass der Bund «die Vorschläge für einen breit angelegten und unmittelbar wirksamen Konjunkturimpuls nur zum Teil aufgenommen» habe. Die Branche hatte zusätzliche Kaufanreize auch für Wagen mit modernen, abgasarmen Verbrennungsmotoren verlangt.
Bis zu 6000 Euro Zuschuss und Ausbau des Ladenetzes
Union und SPD beschlossen höhere Prämien nur für Alternativantriebe. Die Förderung des Bundes für die bestehende «Umweltprämie» soll befristet bis Ende 2021 für E-Autos mit einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro von 3000 auf 6000 Euro steigen. Dazu kommt eine Förderung der Hersteller. Zudem sollen weitere 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau des Ladenetzes gesteckt sowie Forschung und Entwicklung etwa bei der Batteriezellfertigung stärker unterstützt werden. Der Branchenverband erklärte, aus seiner Sicht setzten die auf ein halbes Jahr beschränkte Senkung der Mehrwertsteuer und die Verdopplung des staatlichen Anteils am «Umweltbonus» immerhin ein positives Zeichen.
Bei Umweltschützern traf der Ausschluss von Dieseln und Benzinern aus der Förderung im Kern auf Zustimmung. «Die Entscheidung gegen Autokaufprämien für klimaschädliche Verbrenner und die Förderung von E-Autos ist der richtige Weg hin zur dringend nötigen Mobilitätswende in Deutschland», meinte etwa Naturschutzbund-Geschäftsführer Leif Miller.
BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sieht jedoch auch Schlupflöcher. Er bemängelte, die Berücksichtigung von Plug-in-Hybriden komme einer «Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür» gleich. Wenn nicht mindestens 70 bis 80 Prozent der Strecke elektrisch gefahren würden, sei das Auto de facto ein Verbrenner. Höhere Prämien für E-Autos im bestehenden System schließen auch Plug-ins in den «Umweltbonus» ein. Die Frage «des optimierten Nutzungsgrades des elektrischen Antriebs bei Plug-in- Hybridfahrzeugen» soll aber noch diskutiert werden.
Zulassungsplus bei E-Autos
Im Mai blieben die Auto-Neuzulassungen in Deutschland wegen der starken Kaufzurückhaltung durch die Viruskrise im Sturzflug. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sackten sie um fast die Hälfte ab. Der Marktanteil alternativer Antriebe ist weiter relativ gering – aber das Wachstum zieht inzwischen spürbar an. Bei reinen E-Autos betrug das Zulassungsplus im Mai 20,5 Prozent, bei Hybriden 18,3 Prozent.
Aus der Wissenschaft kamen unterschiedliche Einschätzungen zu dem neuen Prämienmodell. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält den Verzicht auf generelle Kaufzuschüsse für alle Antriebe für richtig. Eine Gesamtwirkung für die Branche lasse sich anders besser erzielen: «Die zeitweise Mehrwertsteuersenkung wird auch Autokäufe anregen, die Hilfen für die Autoindustrie konzentrieren sich auf Investitionen für die Zukunft.»
Die Branchenexpertin Ellen Enkel sagte, eine Konzentration der Förderung auf E-Fahrzeuge bringe den deutschen Herstellern eher wenig: «Davon profitieren in erster Linie ausländische Hersteller.» Nur ein Viertel der förderfähigen E-Autos seien deutsche Modelle. Die Prämienerhöhung bringe vor allem etwas für Kleinwagen der Importeure.
Studie: Prämie hat wenig Einfluss auf Kaufentscheidung
Wer in Deutschland ein E-Auto kauft, dem ist einer Studie zufolge eine Kaufprämie weniger wichtig. Ausschlaggebend waren laut der Befragung von gut 1000 Menschen in Deutschland dagegen die Kilometerkosten der Elektroautos und Umweltaspekte. «Nur acht Prozent der potenziellen deutschen E-Auto-Käufer geben an, dass staatliche Förderungen ihre Kaufentscheidung massiv beeinflussen», teilte die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) mit, die die Studie von ihrer globalen Strategieberatung erstellen ließ.
Auffällig ist demnach auch, dass Hersteller die Einflüsse auf die Kaufentscheidung ihrer Kunden falsch einschätzen. Auf die Frage, welche Faktoren die Kunden hauptsächlich zum Kauf bewegen, fiel die Antwort unter den 13 befragten Hersteller am häufigsten auf Zugang zu Umweltzonen in Stadtzentren und das Fahrerlebnis. Die ambitionierten Verkaufsziele für E-Autos seien nur zu erreichen, wenn es zu einer Veränderung in der Kundenansprache Verkauf käme, schlussfolgern die PwC-Experten.
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(dpa)