Stuttgart – Bunte Tafeln, viele Zahlen und noch mehr Versprechen. An den Zapfsäulen vieler Tankstellen werben Mineralölgesellschaften um Kunden für ihren teuren Sprit.
Sogenannte Premiumkraftstoffe sollen unter anderem mehr Motorleistung bringen und den Verbrauch reduzieren. Meist kosten sie deutlich mehr. Motoren benötigen Kraftstoff mit ausreichend Energie, gleichzeitig soll dieser den Motor kühlen und die Bauteile schmieren. Meist gelingt das mit modernen Zusätzen, sogenannten Additiven.
Sie sollen außerdem einige Eigenschaften wie Klopffestigkeit, Fließverhalten oder Verbrennung verbessern. Die Additive geben die Mineralölfirmen in ihren Raffinerien oder in Kraftstoff-Zwischenlagern bei.
«Premiumkraftstoffe beinhalten Premium-Additive oder synthetische Komponenten, einige Hersteller passen dafür teilweise auch ihren Raffinerie-Prozess an», sagt Svetlana Crusius vom Additiv-Produzenten ERC Additiv. «Diese Kraftstoffe können Reparaturen verhindern und den Verbrauch minimieren.» Hochoktanige Sorten wie Aral Ultimate, Total Excellium oder Shell V-Power beseitigen laut Crusius nicht nur Klopfen im Motor und sorgen damit für ruhigeren Motorlauf und besseres Startverhalten, sondern reinigen Injektoren moderner Dieselmotoren und Benzin-Direkteinspritzer.
Auch freie Tankstellen führen Premiumsorten. Zwar vertragen alle Motoren den teureren Kraftstoff, doch nicht alle können das Potenzial ausnutzen, etwa Motoren, die auf 95 Oktan ausgelegt sind.
Wenig von den teuren Sorten hält Constantin Hack: «Wer viel Geld ausgeben möchte, kann dies für den Premiumsprit machen, notwendig ist das aber nicht», so der Technik-Experte vom Auto Club Europa (ACE). «Um es klar zu sagen: Der Motor braucht keine «Zahnreinigung durch Additive». Motoren seien für genormten Sprit entwickelt. «Die Aufschläge sind in der Regel rausgeworfenes Geld». Die Normen lauten EN 590 für Diesel, DIN EN 228 für Benzin und DIN EN 589 für Autogas. Daneben gibt es Anforderungen an Kraftstoffe von Autoherstellern, welche die Worldwide Fuel Charter (WWFC) zusammenfasst.
«Maßgeblich beim Betanken eines Fahrzeuges ist die vom Hersteller angegebene Oktanzahl», sagt Thorsten Rechtien, Sachverständiger beim Tüv Rheinland. Leistungsstarke Ottomotoren verlangen hochoktanigen Super-Plus-Kraftstoff. Der hat in der Regel 98 Oktan, was an der Zapfpistole gekennzeichnet ist. In den meisten Tankdeckeln ist zudem die zu tankende Oktanzahl vermerkt.
Die Oktanzahl (ROZ) beschreibt die Klopffestigkeit des Benzins. Die ist wichtig, damit es nicht zu unkontrollierten Verbrennungen kommt und «klopft». «Grundsätzlich neigen Kraftstoffe dazu, sich durch Druck oder Temperatur selbst zu entzünden. Je höher die Oktanzahl eines Kraftstoffs, desto geringer ist diese Neigung», sagt Rechtien.
Die Klopffestigkeit lasse sich unter anderem durch die Zugabe von Additiven erhöhen. In Deutschland ist die ROZ für Super auf mindestens 95 und für Superplus auf 98 Oktan festgelegt. Premiumkraftstoffe bieten 100 Oktan. Vor Jahren verschwand Normalbenzin mit 91 Oktan von den Zapfsäulen.
Die Cetanzahl (CZ) beschreibt die Zündwilligkeit von Dieselkraftstoff. Je höher diese ist, desto leichter entzündet sich der Kraftstoff von selbst, desto sauberer wird die Verbrennung. In Deutschland liegt die Cetanzahl bei Diesel bei 51 CZ, bei Super-Diesel bei 55 und bei Premium-Kraftstoffen bei bis zu 60 CZ.
Von teuren High-End-Kraftstoffen für den täglichen Einsatz hält auch Rechtien wenig. «Das sind werbewirksame Kraftstoffe, die für den Alltag keinen großen Vorteil bringen», sagt er. Allerdings besitzen sie eine hohe Klopffestigkeit und einen geringen Schwefelanteil. Schwefel verursacht einerseits giftige Emissionen, andererseits kommt er der Schmierfähigkeit des Kraftstoffs zugute.
Selbst ein als schwefelfrei deklarierter Kraftstoff darf Schwefel in kleinen Mengen enthalten. Teilweise enthalten Premium-Kraftstoffe auch geringere Bioanteile, was zu ruhigerem Motorverlauf, besserer Oxidationsstabilität und geringerer Sedimentbildung führt.
«Kaum ein Motor kann von den höheren Oktanzahlen profitieren, Leistungssteigerungen im niedrigen einstelligen Bereich können aber möglich sein», sagt Hack. Der normale Autofahrer merke das aber nicht, und so lohne sich der teure Kraftstoff im Alltag nicht. «Lieber bei einer freien Tankstelle tanken und auf Premium-Sprit verzichten», rät er. Das gesparte Geld merke man deutlich stärker.
Fotocredits: Andrea Warnecke,Christin Klose,Christin Klose,Andrea Warnecke,Angelika Emmerling,Christiane Ehlert-Pohl
(dpa/tmn)